Zur Verleihung des Filmpreises der Kirchen: «Wer mutig ist, ist frei…»
«Les Courageux» von Jasmin Gordon erhält den diesjährigen «Filmpreis der Zürcher Kirchen». Er wurde gestern am Zurich Filmfestival verliehen. Von Frieden und Mut, Armut und Verzweiflung – davon handelte der Abend thematisch.
Es ging um die Ungeheuerlichkeiten der Kriegsmechanismen, die schon die alten Griechen in ihren Komödien benannten, und von den seit Jahrhunderten zu vernehmenden Friedensrufen von Kanzeln, Bühnen und Leinwänden.
Der ausgezeichnete Film handelte vom Mut, sich seiner eigenen Armut nicht zu schämen und einer unerbittlichen Gesellschaft die Stirn zu bieten. Von der Verzweiflung, den Kampf um die eigene Existenz zu verlieren.
Dazu passt, dass die Friedensthematik auch in der Festrede von Daniel Rohr, dem Leiter des Theaters Rigiblick, einigen Raum einnimmt. So zog der Theatermann stimmige Parallelen zwischen Kirche und Bühne, zwischen Bergpredigt und griechischer Komödie, die ihre Friedensappelle mit je eigenen Ritualen formulierten.
Zwischen Mut und Verzweiflung
Wie schon andere kirchlich ausgezeichnete Filme zuvor, eröffnet der Schweizer Gewinnerfilm «Les Courageux» Einblicke in das Leben und Leiden von Menschen, die nicht auf der Seite der Gewinner stehen.
Auch das griechische Theaterstück «Der Frieden» von Aristophanes aus Daniel Rohrs Festrede enthält wie der ausgezeichnete Film Elemente einer «Comédie humaine», in der sich Protagonistinnen die Ungeheuerlichkeit herausnehmen, zu lanchen – angesichts ihrer Verzweiflung über die Götter oder eben ihr Schicksal.
Und auch, um zu weinen. Denn Jule, alleinerziehende Mutter dreier Kinder, führt ein Leben am Rand der Existenz, prekär und schambesetzt. Wo nackte Verzweiflung herrscht, sind Schritte in die Illegalität absehbar.
Mit ihrer Not stellt sie sich als Einzelne vor die Gesellschaft und fordert diese heraus – wie in der griechischen Tragödie die Figur des Einzelsängers, der als Individuum aus dem Chor heraustritt und sich seines Schicksals bewusst wird.
Abwege und Irrfahrten
Mutig ist, wer sich wie Jule dem eigenen Ergehen in den Weg stellt. «Celui qui est courageux, est libre - Wer mutig ist, ist frei», wird sie dazu sagen, die Freiheitskämpferin im Namen ihrer Kinder, die ihrerseits jedoch die krummen Touren der verzweifelnden Frau zunehmend ablehnen.
Juless Irrfahrten im Auto erinnern an ein Roadmovie, dessen Antihelden auf der mobilen Suche nach Freiheit desillusioniert im Nichts zu enden drohen. Das Nichts ist hier der Wald, den Windstössen trotzt und die der Gesellschaft entfremdete Jule schliesslich in sich birgt.
«Das Leben ist komplex, die Natur ist einfach und erinnert daran, dass wir Menschen uns befreien können», sagt Regisseurin Jasmin Gordon, die mit ihrem filmischen Drama ermutigen will, sich selbst auch in Widrigkeiten treu zu bleiben.
«Jule ermutigt, sich treu zu bleiben»
Ein kurzes Gespräch mit der Regisseurin Jasmin Gordon.
Was sind die Hauptanliegen, die Sie mit Ihrem ersten Spielfilm «Les Courageux» transportieren?
Es sind Schichten von Anliegen. Ich erzählte die Geschichte einer Mutter, die stark ist, sich aber in Grauzonen bewegt. Frauen werden im Kino oft schwarz-weiss gezeigt, als starke Superheldinnen oder Versagerinnen. Jule ist anders, sie ist komplex. Ich zeige aber auch, wie die Gesellschaft einzelne Menschen mit Normen konfrontiert, was individuelle Freiheit in diesem System bedeutet und dass das Anderssein uns bereichert.
Ihr Film ist sozialkritisch und feministisch, die Protagonistin Jule eignet sich aber nicht wirklich als Identifikationsfigur…
Das Thema Armut polarisiert stark, ebenso polarisiert Jule. Ihre Frauenfigur macht es vielen nicht einfach. Man liebt sie sogleich oder man kann mit ihr nichts anfangen. Aber Jule ermutigt, sich treu zu bleiben und das Beste aus einer Situation zu machen.
Die Armutsproblematik verschärft sich weltweit. Was Familienarmut bedeutet, was es heisst, als Alleinerziehende mit Kindern um die Existenz zu kämpfen, das zeigt der Film in einer universellen Sprache. Wird er noch in anderen Ländern zu sehen sein?
Wir durften mit dem Film am Toronto International Film Festival Weltpremiere feiern. Seit dieser Woche sind Verträge mit einem Verleiher in Nordamerika sowie in England und Irland abgeschlossen worden, was uns sehr freut. Und in zwei Wochen werde ich mit dem Film in Rom sein. Ich bin für meinen ersten Spielfilm einen langen und schwierigen Weg gegangen und freue mich umso mehr, dass ich ihn mit 45 Jahren realisieren konnte.