Wie wohnt es sich in einer Pfarrhaus-WG?
Zu Besuch in einem zwischengenutzten Pfarrhaus in Zürich-Hirzenbach: Vier junge Erwachsene teilen sich dort Küche, Stube und ein tiefes Interesse an Glauben und Gastfreundschaft.
Madleina Signer und Benjamin Manig öffnen die Türe zur Pfarrhaus-WG für den angemeldeten Hausbesuch um acht Uhr morgens. Im Entree stapeln sich Turnschuhe, Hausschlarpen, Stiefel und Fellfinken für insgesamt acht Füsse. Vorboten einer – wie üblich – etwas wilden WG-Ordnung. So denkt man bei der Begrüssung, wird dann aber eines Besseren belehrt.
Es sollte die einzige Zone im Parterre des ehemaligen Pfarrhauses bleiben, in dem die Aufgeräumtheit nicht Maximalnoten erreicht. Stuben- und Küchentisch sind blank, das Sofa liebevoll mit Kissen besetzt, das Büchergestell mit Gotthelf und anderen Klassikern und theologischer Fachliteratur ordentlich bestückt.
Offenes Pfarrhaus
Madleina Signer ist Mitte zwanzig, in Ausbildung und arbeitet als Praktikantin in der Kirchgemeinde Zürich Hirzenbach. Gleich neben dem Pfarrhaus übernimmt sie Service-Schichten im «Coffee & Deeds», dem von der Kirchgemeinde betriebenen Quartiertreffpunkt in Schwamendingen. Anfallende Schreiner- und Handwerksarbeiten im zum Abbruch freigegebenen Pfarrhaus gehören zwar nicht zu ihrem Job, sie macht das aber gern zum Ausgleich.
Dass es in der Stube und Küche so aufgeräumt ist, hat nicht nur mit ihrem und Benjamin Manigs Ordnungssinn zu tun, sondern auch mit der Aufgabe, zu der sich die vierköpfige Wohngemeinschaft verpflichtet hat: das Haus der Gastfreundschaft zu widmen und die Gemeinschaftsräume und den idyllischen Garten mitten im Wohnquartier auch für andere Menschen offen zu halten.
Um diese Offenheit noch deutlicher zu machen, sollen demnächst die Grenzhecken weggeräumt werden, erzählt Benjamin Manig. Dabei wird die Kirchgemeinde zusammen mit der WG und den Nachbarn aus den Genossenschaftswohnungen an einem Wochenende selber Hand anlegen und die Aktion zu einem Gartenfest ausweiten.
Beten gehört zum WG-Leben
Benjamin Manig kennt das offene Pfarrhausleben als Pfarrerssohn schon seit Kindheit und führt es nun an dieser Stelle auf neue Art weiter. Dies nachdem er als junger Erwachsener verschiedene Wohnformen in Gross-WGs («ziemlich chaotisch»), aber auch zwei Jahre allein in eigener Wohnung erlebt hat. «Allein zu wohnen ist mir definitiv zu einsam», sagt der Theologie-Doktorand. Er sei deshalb im letzten Herbst mit Freuden hier eingezogen, als die Zwischennutzung des Pfarrhauses bis zum Abriss bekannt geworden sei.
Das Schönste an einer WG sei definitiv das Gemeinschaftsleben, die Begegnungen, wenn man sich am Abend in der Küche treffe, einander vom Tag und von der Arbeit erzählen könne. Wertvoll sei für ihn auch, dass man nicht nur das Leben miteinander teile, sondern auch den Glauben. Mindestens einmal pro Woche reserviere man sich Zeit zum gemeinsamen Essen, zum Austausch und zum gemeinsamen Gebet.
Die gegenseitige Fürbitte spiele eine wichtige Rolle, auch bei der Lösung von Konflikten, die sich im Wohnalltag ergeben, ergänzt Madleina Signer. Auch sie hat schon WG-Erfahrungen gesammelt und kann sich das Alleinwohnen kaum vorstellen. Sie habe auch schon klösterliche Lebensformen ausprobiert. «Den Glauben zusammen mit anderen zu leben, hat mich schon immer fasziniert.»
Streiten in der christlichen WG
Kleine Reibereien im Alltag gebe es natürlich auch in einer deklariert «christlichen» WG, bestätigen die beiden WG-Profis. Und ja, da gehe es auch um Kleinigkeiten wie die Putzlappen-Nutzung oder das Ausräumen der Abwaschmaschine. Es gelte dabei einander als Menschen mit unterschiedlichen Eigenheiten und Lebenssituationen anzunehmen.
Wenn die WG jeden Donnerstag um 7 Uhr eine offene Morgenandacht in der Kirche nebenan feiert, ist Verständnis angesagt, wenn je nach Tagesprogramm und -form nicht immer alle so aus den Federn kriechen mögen.
Text: Christian Schenk
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