Die letzte Äbtissin von Zürich

Diesen Sommer feiert Zürich die letzte Äbtissin des Fraumünsters: Katharina von Zimmern war es, die vor 500 Jahren während der Reformation ihr Kloster in städtische Hände übergab. Warum eigentlich? Ein «Interview» mit einer der bedeutendsten historischen Figuren der Zürcher Reformationszeit.
 

Hochwürdige Frau Äbtissin, Sie haben vor 500 Jahren der Stadt Zürich die Abtei Fraumünster übergeben. Was haben Sie sich nur dabei gedacht? 

Die Übergabe war europaweit ein absolutes Novum. Viele Faktoren haben dafür gesprochen. So war die Reichsgewalt des Kaisers seit dem 14. Jahrhundert am Zerfallen, und es wäre unklug von ihm gewesen, sich einzumischen. Zudem wollte sich Zürich sukzes­sive vom Reich lösen. Im Zug der Refor­ma­tion war das kanonische Recht in Zürich ausgeschaltet, wodurch mein Schritt auf einer rechtlichen Grundlage basierte. Zudem hatte ich auch einen materiellen Grund zur Übergabe: Da ich in der Abtei noch allein lebte, war der angestammte Zweck der Stiftung unerfüllt. Kraft meiner Stellung konnte ich darum die Übergabe allein vor­nehmen.

War das wirklich freiwillig? Sie standen doch unter grossem Druck?

Ich tat es freiwillig, ohne Zwang, und ich stützte mich dabei nicht nur auf die günstigen Umstände und das Fehlen po­litischer Hindernisse, sondern fällte einen Gewissensentscheid. Ich wollte die Stadt vor Unglück und Ungemach bewahren.

Wie haben Sie sich danach gefühlt? Befreit oder leer? 

Schwer zu sagen. Ich weiss, dass ich der Stadt politisch einen grossen Dienst erwiesen habe, da der Friede in Zürich auch von aussen stark gefährdet war. Aber dieser Moment war alles andere als einfach. Meine Familie verurteilte meinen Entscheid scharf. So schrieb etwa mein Neffe Froben in seine Chronik, ich hätte unrühmlich gehandelt. Allerdings hat er nicht mehr erlebt, dass seine jüngste Tochter Eleonora sich zu einer bekennenden Protestantin entwickelte.

Wie hat sich Ihr Leben verändert? Und wie stand eigentlich Zwingli zu Ihnen? 

Ich blieb vorerst in Zürich und bekam mit, dass die Verwaltung der Klostergüter für die Stadt eine enorme Herausforderung dar­stellte. Es war, als würde ein kleiner Dorf­laden plötzlich ein Warenhaus integrieren. Der Aufbau einer adäquaten Verwaltung dauerte jedenfalls Jahrzehnte. Was Zwingli anbelangt, so lag ihm einiges daran, sich mit mir weiter­hin gut zu stellen, das kommt in einem Brief aus dem Jahr 1525 an Vadian zum Ausdruck. Am 9. August 1525 habe ich in Schaffhau­sen den in Zürich geächteten Söldneragenten Eberhard von Reischach geheiratet – und unsere Gäste mussten genau an diesem Tag bewaffnete aufständische Rebleute zur Raison bringen. Später bekamen wir zu unserer bereits früher geborenen Tochter Regula noch weitere Kinder und lebten in Schaffhausen, Diessenhofen und 1529 dank einer Amnestie wieder in Zürich. Bereits 1531 ist mein geliebter Eberhard an Zwinglis Seite in der Schlacht bei Kappel gestorben. 

Die fiktiven Antworten beruhen auf der kürzlich erschienenen Biografie «Katharina von Zimmern» von Irene Gysel (TVZ, 2024, 229 Seiten, Fr. 24.80). Foto: Aus dem Film «Zwingli», C-Films

Interview: Madeleine Stäubli-Roduner
 

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