Spiritualität im Netz: «Warum nicht einfach loslegen?»
Wie funktioniert Glauben im Netz? Dieser Frage geht die Tagung «Holy Spaces» am 25. Oktober auf den Grund. Manuel Schmid, der «RefLab»-Co-Leiter und Mitveranstalter der Tagung, gibt Einblicke in sein digitales Glaubensleben.
Manuel, was würde Dir in Deinem Glaubensleben fehlen ohne Handy?
Mein Handy ist gleichzeitig Störfaktor und Inspirationsquelle für den Glauben. Störend, weil es mich dazu verleiten kann, jeden sich bietenden Moment der Ruhe mit Bildschirmzeit aufzufüllen. Momente, in denen ich den Vögeln zugehört und für die Wunder der Schöpfung gedankt hätte. Andererseits bereichern digitale Impulse zum Beispiel aus Podcasts mein Glaubensleben enorm. Da fordern mich Leute heraus, ermutigen und inspirieren mich. Es entstehen tiefe menschliche Beziehungen.
Wo setzt Du bewusst auf analog?
Es ist für mich kein Entweder-oder. Ich kann fast alles in beiden Welten pflegen. Zugegeben: Online-Gottesdienste halte ich selten durch, ohne abzuschweifen. Und ein Abendmahl hat eine andere Kraft, wenn jemand für mich das Brot bricht. Grundsätzlich verschmelzen aber analoge und digitale Glaubenspraxis bei mir und vielen Menschen zunehmend. Und: Online-Spiritualität ist nicht ein verminderter Realitätsmodus.
Wie meinst Du das?
Menschen haben mir geschrieben, sie hätten Gott und der Kirche längst den Rücken gekehrt, aber seit sie unseren Podcast hören, seien sie wieder im Glauben unterwegs. Das sind Erfahrungen, die das reale Leben von Menschen prägen.
An der Tagung fungierst Du als Reiseführer durch die Netz-Spiritualität. Verrätst Du und vorab schon einen Tipp?
Das Netzkloster ist ein interessantes Beispiel, das wir vorstellen. Da kann man sich zu bestimmten Zeiten einloggen und zusammen mit anderen beten, meditieren und Stille teilen.
Du erkundest seit Jahren Möglichkeiten der Online-Spiritualität. Welche Regeln gilt es zu beachten?
Natürlich gibt es technische und kommunikative Regeln, die man beachten soll. Aber eigentlich möchten wir zum Experimentieren ermuntern. Warum nicht einfach loslegen mit einer Gebetsgruppe, die sich wöchentlich trifft? Es braucht nicht mehr als ein Handy. Wenn man digital affine Menschen einbezieht, werden diese helfen, technische Hürden zu nehmen.
Was rätst Du inhaltlich?
Man kann auf zwei Seiten vom Pferd fallen: mit zu grosser liturgischer, pfarrherrlicher Distanz oder aber durch ein Oversharing, durch das Teilen von allzu privaten Dingen. Es braucht jedoch den Mut, den eigenen Glauben mit anderen teilen zu wollen. Kanzeldistanz funktioniert online nicht.
Interview: Christian Schenk
Digitales Lagerfeuer für spirituelle Nomad:innen
Das RefLab ist das «digitale Lagerfeuer» der reformierten Landeskirche Zürich. Eine Community, die zusammen nachdenkt, lernt, diskutiert, zweifelt und hofft. Mitten im Leben. In vielen Formen und für unterschiedliche Menschen.