Erleuchtung auf der Leiter
In diesem Blogbeitrag möchte unsere Autorin hoch hinaus, scheitert jedoch an ihrem Stolz: «Was man beim Auswechseln einer Glühbirne alles erleben kann».
Bedeutet zu leben, sich aus der Abhängigkeit zu befreien, die man sich bei der Geburt eingehandelt hat? Während man sich vom Kinderwagen zum Sarg hin bewegt, lernt man immer mehr zu kontrollieren: die Körperfunktionen, die eigenen Worte, fremde Gefühle. Selbständigkeit ist also der Sinn des Lebens.
In diesen philosophischen Höhen bewegen sich meine Gedanken, während meine wackeligen Beine auf einer Leiter stehen. Meine Hände hätten sich gerne abgestützt, mussten aber die
neue Lichterkette festhalten, die ich an der Zimmerdecke befestigen möchte. «Ich bin selbständig und schaffe das ohne Hilfe», versuche ich mich zu überzeugen. Ich lehne mich etwas nach vorne. Wäre ich etwas grösser, müsste ich mich nicht in Lebensgefahr begeben, um den Haken an der Decke zu erreichen. Meine Mitbewohner sind alle grösser. Und sie sind sogar zuhause. Aber ich nehme lieber eine zerbrochene Lichterkette oder ein gebrochenes Bein in Kauf, als einen gebrochenen Stolz.
Kurz darauf ist Ersteres scherbengewordene Tatsache. Die kaputte Lampe beschert mir immerhin etwas Erleuchtung: Abhängig zu sein ist keine Schwäche. Sich die Abhängigkeit nicht einzugestehen – das ist schwach.
Dies gilt auch für alle anderen Leitern im Leben, die ich versuche alleine zu besteigen. Wenn ich zum Beispiel alleine die moralischen Stufen der Nachhaltigkeit nach oben steige und mich sogar zum Veganismus hin ausstrecke, wird dabei einiges in die Brüche gehen: Meine Selbstliebe zersplittert an den hohen Ansprüchen. Meine Geduld mit Menschen, die scheinbar weniger nachhaltig sind, fällt auf den Boden. Statt meinen eigenen Fussabdruck ganz auszulöschen, sollte ich vielleicht versuchen, mit anderen zusammen auf den Zehenspitzen zu gehen…
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