Was es heisst, für die Enkel da zu sein

Was beschäftigt heutige Grosseltern? Wie begleiten sie ihre Enkel im Alltag und durch die Weihnachtszeit? Und wie kann sie die Kirche unterstützen? Ein Besuch beim Grosseltern-Treff der Kirchgemeinde Furttal.

Regensdorf, ein früher Novemberabend: In einem Sitzungsraum des Kirchgemeindehauses knipst Sozialdiakonin Ariane Schwickert das Licht an, stellt Trauben und Mineralwasser auf den Tisch und öffnet eine Packung Guetzli. An ihrer Seite packt Edith Loosli einige Exemplare der Zeitschrift «Grosseltern» aus und verteilt sie auf dem Tisch.

Die zweifache Grossmutter hat vor einigen Monaten den Grosseltern-Treff initiiert und freut sich, dass seither alle zwei Monate eine stattliche Gruppe zusammenkommt und rege über verschiedenste Themen rund um ihre Rolle als Grosseltern diskutiert. «Letztes Mal kamen zehn Besucherinnen und Besucher», sagt sie und begrüsst die erste Teilnehmerin, die ihre längere Abwesenheit mit einer naheliegenden Erklärung begründet: «Ich musste so oft meine Enkel hüten», lächelt die Mutter eines Berufsmusikers, die in letzter Zeit häufig an Abenden und Wochenenden gefragt ist. 

«Mein Kreuz lässt grüssen»

Nach und nach füllt sich der Raum mit junggebliebenen Seniorinnen. «Unser Treffpunkt spricht eine jüngere Klientel an als etwa Seniorennachmittage», erklärt Sozialdiakonin Schwickert. Meist kämen Grosseltern von sehr kleinen Enkelkindern, «da sind die Fragen wohl am brennendsten». Sie heisst nun alle Anwesenden willkommen und lädt alle ein, sich vorzustellen und dabei natürlich auch die Zahl und das Alter der Enkel sowie die Art des Engagements zu nennen.

Eine Teilnehmerin hütet ihr erstes Enkelkind jeden Dienstag: «Wir machen viele Spaziergänge mit ihr, mein Kreuz lässt grüssen», lacht sie. Eine andere kocht jeden Mittwoch für ihre drei schon grösseren Enkel und steht bei Bedarf zur Verfügung. Sie schätzt es besonders, mit den Buben einen guten Kontakt zu pflegen und sich über allerlei Themen auszutauschen.

Die drei Enkelkinder von Initiatorin Edith Loosli wohnen zwischen Bodensee und Luzern, sie schwärmt: «Wir haben es richtig schön zusammen und ich hüte mega gern.» Es kommen viele ehrliche Erfahrungsberichte – «manchmal bin ich abends fixfertig, es ist so streng» – und engagierte Voten zusammen, ein bunter Strauss an Lebensgeschichten von Grossmüttern und Grossvätern unterschiedlichster Provenienz. 

Diese Vielfalt entspricht dem Konzept, das Initiatorin Loosli zusammen mit Sozialdiakonin Schwickert entworfen hat. Das partizipative Angebot der Kirchgemeinde lädt zum ehrlichen ausserfamiliären Teilen und Mitteilen, vermittelt Impulse für die «wunderschöne Herausforderung» des Grosselternseins und ermöglicht regen Erfahrungsaustausch. Dabei untersteht alles, was besprochen wird, der Schweigepflicht. Falls jemand Probleme einbringen würde, die den Rahmen des Anlasses sprengen, würde fachliche Beratung vermittelt.
 

Rummel am Fest der Liebe

In der November-Runde führt Sozialdiakonin Schwickert nun an das Thema des Abends: Weihnachten. Wer feiert wo mit wem? Wie gross sind die Geschenkberge? Wissen die Kinder überhaupt noch, was Weihnachten ist? Wie feiern, wenn die Eltern getrennt sind? 

Auf einen Flipchart malt sie einen kleinen Tannenbaum und lanciert eine kurze Umfrage zu den favorisierten Weihnachtsthemen. Bald schon kristallisiert sich die Geschenkflut als erstes Thema heraus, zu dem sich die Runde in der folgenden Halbstunde austauscht. Sie ist sich einig: Der Weihnachtsrummel dauert zu lange, das ganze Weihnachtssortiment in den Läden wird viel zu früh aufgefahren, gerade den kleinen Kindern können sie das kaum erklären, und die Kinder bekommen viel zu viele Geschenke. Dass ein Enkel sagt: «Weisst du, ich habe eigentlich schon alles», freut seine Grossmutter, doch möchte sie nicht einfach nur Geld schenken. 

Eine andere bekräftigt, sie sei angesichts des grossen Spielguts im Elternhaus nicht bereit, noch mehr Spielsachen zu kaufen. Am liebsten kaufe sie Dinge, die sie dann bei sich zuhause aufbewahre, um sie jeweils in ihrer Hütezeit einzusetzen. «Wir haben aufgehört mit Weihnachtsgeschenken, denn es ist ja das Fest der Liebe», sagt eine Teilnehmerin. «Ich sage den Kindern, dass wir an Weihnachten den Geburtstag von Jesus feiern, das ganze Jahr hindurch feiern wir dann wieder andere Geburtstage.» Die grösseren Kinder würden sich durchaus mit Religion auseinandersetzen. Kürzlich sagte ein Enkel: «Das ist doch fake.» Ein anderer fragte, wie die Welt entstanden sei, ob Bibel oder Naturwissenschaft mit ihren Erklärungen Recht hätten. Er tendiert zu Letzterer.
 

Was Weihnachten offenbart

Darauf wechselt Edith Loosli zum zweiten Thema, dem weihnächtlichen Konfliktpotenzial. Wenn einem die Grösse der Festgesellschaft über den Kopf wachse, müsse man sorgsam absprechen und organisieren, hält sie fest. Jemand bedauert, dass sie den kleinen Enkelkindern Weihnachtslieder und Krippe noch nahelegen konnte, die grösseren hingegen das Singen ablehnten. Das Fest der Liebe sei ein Gradmesser für die Beziehung überhaupt. «Wenn wir unter dem Jahr nicht miteinander leben, so hat man sich auch an Weihnachten nichts zu sagen», meint Edith Loosli. 

An dieser Stelle bedauern einige, dass sie nicht mehr die wichtigsten Menschen im Leben ihrer längst erwachsenen Kinder seien, dass sie diesen ihr Eigenleben zugestehen wollen und trotzdem ein gutes Miteinander haben können. Die Diskussion nimmt nochmals Fahrt auf, bis die beiden Leiterinnen das Gespräch abrunden und noch auf den nächsten Treff hinweisen, zu dem auf Wunsch der Teilnehmenden ein Jurist zum Thema «Rechte und Pflichten von Grosseltern» eingeladen wurde. 

Dann werden die Grosseltern mit einem herzlichen Weihnachtsgruss in die Novembernacht entlassen. «Wir sind offen für Besucherinnen und Besucher von überall», hält Edith Loosli beim Verabschieden der Runde fest, an der auch Frauen aus der katholischen und christlich-orthodoxen Kirche teilnehmen. «Man wird eben in allen Religionen Grosseltern», bemerkt eine Besucherin beim Hinausgehen schmunzelnd.

Austausch

Der nächste Grosseltern-Treff der Kirche Furttal findet am Montag, 3. Februar 2025, 17 Uhr statt. Information und Anmeldung: ariane.schwickert@kirche-furttal.ch, Tel. 044 520 44 29