Biodiversität – Glaube steckt im Boden

Der Sozialdiakon Claudio Hess pflegt in Winterthur Mattenbach die Biodiversität. Den Schöpfungsleitlinien der Kirche gemäss will jedes Projekt die Biodiversität erweitern und Lebensraum für einheimische Pflanzen und Kleinstlebewesen schaffen. 

«Unser Glaube steckt auch im Boden, er ist die Grundlage all dessen, wovon wir zehren»: Claudio Hess sitzt auf der Gartenbank in der Wiese der Kirchgemeinde Winterthur Mattenbach und weist in alle Himmelsrichtungen. Auf dem «Blätz» vor der Quartierstrasse entsteht eine Ökowiese, die mit der Sense geschnitten wird und ab nächstem Jahr als Nahrungsquelle für Insekten dienen soll. Hoch oben am Baum hängt ein Nistkasten, hinter dem Haus ist ein Heu-Tristen angelegt, der Kleintieren Unterschlupf bietet. «Wir stehen erst am Anfang, bauen manches auf und wollen es langsam wachsen lassen», sagt der Sozialdiakon.

Was ihn am Projekt Biodiversität anspricht, ist das Bodenständige, das Archaische, die Verbindung zur Natur und somit zu Gott. Beim Bepflanzen und Säen, Rabatten anbringen und Nisthilfen befestigen, hat der Glaube für Claudio Hess eine neue Bedeutung bekommen: «Wir sollen der Schöpfung Sorge tragen.»

Dabei mit den eigenen Händen zu gestalten und Ideen umzusetzen, liegt dem 40-jährigen Schreiner und Sozialpädagogen. Und dass die schöpfungsfreundlichen Vorhaben verschiedene Gemeinschaften entstehen lassen, freut ihn besonders. «Für mich heisst Kirche, gemeinschaftlich zu gestalten und für möglichst gute Partizipation niederschwellig zugänglich zu sein.»

Nachdem der vierfache Familienvater vor fünf Jahren in der Kirchgemeinde Winterthur Mattenbach angefangen hatte, war es für ihn naheliegend, im 2021 geschaffenen Umweltteam der Kirchgemeinde mitzuwirken und die Zertifizierung zum «Grünen Güggel» mitzutragen. Dabei werden auch Kooperationen eingegangen: Claudio Hess brachte mit Unterstützung des Natur- und Vogelschutzvereins Seen fünf Vogelnistkästen für Mauersegler an und schreinerte mit Kindern des Freizeittreffs «Domino» ein Gestell, um die Nistkästen in luftiger Höhe einfacher montieren zu können.

Kirche sichtbar machen

Zwar weiss der Sozialdiakon nie, wie viele freiwillig Engagierte er jeweils gewinnen kann, aber er vertraut darauf, dass genug kommen werden, damit ein Vorhaben auch gelingt. In den Aktivgruppen finden Kirchennahe und reine Gartenexpertinnen zusammen – an diesem Brückenschlag ist Claudio Hess viel gelegen. «Wir wollen zeigen, was wir tun und Kirche sichtbar machen, dadurch werden wir auch eher wahrgenommen», sagt er. Im «erweiterten Raum der Kirche» hätten viele und vieles Platz, ist er überzeugt.

An neuen Ideen fehlt es nicht, ob nun hier aus dem Christbaum eine Schlupfhecke erstellt wird oder dort ein Asthaufen für Kleinstlebewesen entsteht. Die Hochbeete vor der Kirche betreut eine Gartengruppe nach eigenem Fahrplan samt «Giesszeitfenstern». «Das Ganze lebt, wenn sich viele Menschen beteiligen», lächelt Claudio Hess und begiesst vor dem Weggehen die leuchtenden Sonnenblumen im Hochbeet.

Text: Madeleine Stäubli-Roduner

Schöpfungszeit

Der 1. September gilt bei den Orthodoxen Kirchen und der Römisch-katholischen Kirche als der Tag der Schöpfung. Der 4. Oktober ist der Gedenktag des Franz von Assisi. Zwischen diesen beiden Daten liegt die Schöpfungszeit – sie schliesst das Erntedankfest und den Bettag mit ein. In dieser Zeitspanne führt der ökumenische Verein «oeku Kirchen für die Umwelt» unter dem Slogan «Biodiversität – Heilige Vielfalt» verschiedene Anlässe wie etwa Gottesdienste, Aktionen mit Kindern oder Exkursionen durch. Sie ermutigen zu einer Veränderung des Lebensstils, um den Verlust der Biodiversität zu bremsen.

www.oeku.ch