«Wahlkirchgemeinde» im Kanton Zürich
Künftig sollen Mitglieder der Reformierten Kirche selber entscheiden können, welcher Kirchgemeinde sie angehören wollen. Dies entschied die Kirchensynode an ihrer Frühjahrssitzung ebenso klar, wie sie am Sonntagsgottesdienst festhalten will.
Ein Postulat von Peter Nater, Zumikon, und weiteren Mitunterzeichnenden lud den Kirchenrat zur Prüfung der Einführung der «Wahlkirchgemeinde» ein: Ein Mitglied soll selber entscheiden können, ob es zur Kirchgemeinde am Wohnort oder zu einer anderen gehören will, wie es in anderen Landeskirchen teils möglich ist.
In seiner Antwort legte der Kirchenrat dar, dass die mit dieser Lösung verbundenen administrativen, rechtlichen und steuertechnischen Herausforderungen bei einer umfassenden Umsetzung so gross sind, dass er sie nicht weiterverfolgen möchte.
Der Kirchenrat teilt jedoch das Grundanliegen des Postulats. Er schlug deshalb die Einführung einer einfachen Wahlkirchgemeinde vor: Eine Person, die das möchte, wird neu als Mitglied der selber gewählten Kirchgemeinde geführt, aber die politischen Rechte und die Steuerpflicht verbleiben bei der Wohnsitzgemeinde.
Diese hat der Wahlkirchgemeinde im Einzelfall dann eine vom Kirchenrat für alle Kirchgemeinden festgesetzte Pro-Kopf-Pauschale zu überweisen. Die Kirchensynode begrüsste die Einführung der «Wahlkirchgemeinde» mit grossem Mehr und schrieb das Postulat ab. Für die Umsetzung des Anliegens braucht es nun noch eine Änderung der Kirchenordnung. Sie wird bei der nächsten Teilrevision vorgenommen.
Sonntagsgottesdienst bleibt
In einem weiteren Postulat ging es um die Frage, ob die Kirchgemeinden auch in Zukunft an jedem Sonntag einen Gottesdienst anbieten müssen, wie das die Kirchenordnung vorgibt. In seiner Antwort bezeichnet der Kirchenrat den Sonntagsgottesdienst als «unverzichtbares Merkmal der christlichen Gemeinde». Seine Bedeutung als fester Bestandteil des kirchlichen Lebens sei grundlegend, betonte Kirchenratspräsidentin Esther Straub vor der Synode, weshalb der Kirchenrat auf die Vorgabe durch die Kirchenordnung nicht verzichten will, zumal schon heute Ausnahmen möglich sind.
Der Kirchenrat will die Kirchenordnung aber bei der nächsten Teilrevision dahingehend erweitern, dass der Sonntagsgottesdienst einmal pro Monat auf den Freitagabend verlegt werden kann, da einzelne Kirchgemeinden, die dafür um eine Ausnahmeregelung ersucht hatten, damit gute Erfahrungen gemacht haben.
Dieses Vorgehen überzeugte das Kirchenparlament, obschon mehrere Synodale für mehr Mut zur Innovation plädierten. Das Postulat wurde mit grossem Mehr abgeschrieben.
Abschluss von «KirchGemeindePlus»
Am 24. September 2024 hatte der Kirchenrat der Kirchensynode den Schlussbericht zu «KirchGemeindePlus» (Prozess zur Zusammenlegung von Kirchgemeinden) zusammen mit der Schlussabrechnung zu den Rahmenkrediten vorgelegt. Die Kirchensynode genehmigte damals zwar die Abrechnung, lehnte in der Schlussabstimmung aber den gesamten Antrag ab, weil eine Bilanzierung des ganzen Projekts durch den Kirchenrat vermisst wurde.
Der Schlussbericht wurde vom Kirchenrat zwar kommentiert, aber durch eine externe Firma erstellt. Die Schlussabrechnung über die Rahmenkredite wurde der Synode deshalb erneut und separat zur Genehmigung vorgelegt.
Die Landeskirche unterstützte die Zusammenschlüsse in den verschiedenen Phasen ab 2012 mit finanziellen Beiträgen. Die Kirchensynode bewilligte dafür Rahmenkredite von 3 Mio. Franken, wovon insgesamt rund 1.2 Mio. Franken effektiv beansprucht wurden. Zudem richtete die Landeskirche an einzelne Kirchgemeinden insgesamt rund 770'000 Franken an Entschuldungsbeiträgen aus, um zu verhindern, dass Zusammenschlüsse an der finanziellen Situation einer Kirchgemeinde scheitern.
Hinzu kommen noch die Personal- und Sachkosten der Gesamtkirchlichen Dienste, die die Zusammenschlüsse begleiteten. Sie beliefen sich über die ganze Laufzeit des Projekts auf rund 4.7 Mio. Franken. Die Kirchensynode stimmte der Schlussabrechnung ohne Gegenstimme zu.
Anstelle eines weiteren Schlussberichts wird der Kirchenrat in den kommenden Monaten eine Bestandsaufnahme über die Lage der Zürcher Kirchgemeinden durchführen, die Aufschluss darüber geben soll, mit welchen unterschiedlichen Herausforderungen kleinere, mittlere und grössere Kirchgemeinden heute konfrontiert sind. Zudem beantwortete der Kirchenrat im Rahmen einer Interpellationsantwort eine Reihe von Fragen zum Abschluss von «KirchGemeindePlus».
Anpassung der Synodalwahlverordnung
Weiter befasste sich die Kirchensynode mit ihrer eigenen Wahlverordnung: Im Wesentlichen ging es um deren Anpassung ans teilrevidierte kantonale Gesetz über die politischen Rechte sowie um die Anpassung der Synodalwahlkreise an die Mitgliederentwicklung. Eine Zusammenlegung der Wahlkreise I und III in der Stadt Zürich zu einem einzigen Wahlkreis lehnten die Synodalen jedoch mit grossem Mehr ab.
Zum wiederholten Mal zu diskutieren gab die Frage, ob Kandidierende ihre angestrebte Fraktionszugehörigkeit künftig auf dem Wahlzettel angeben müssen oder können, wie das der Kirchenrat bzw. die vorberatende Kommission beantragten.
Dagegengehalten wurde, dass die Fraktionen dafür öffentlich zu wenig bekannt seien und die Bestimmung nicht durchsetzbar wäre. Diese Argumentation vermochte zu überzeugen, so dass die Kirchensynode die Angabe der künftigen Fraktionszugehörigkeit auf dem Wahlzettel mit 49 zu 47 Stimmen knapp ablehnte.
Infrastruktur für Bezirkskirchenpflegen
Weiter lag der Kirchensynode die Stellungnahme des Kirchenrates zu einer Initiative für eine «zeitgemässe Infrastruktur der Bezirkskirchenpflegen» vor. Der Vorstoss forderte für Letztere ein «unabhängiges Sekretariat, das die Rekurs- und Aktuariatsgeschäfte besorgt».
Der Kirchenrat lehnte den Vorstoss ab, legte aber einen Gegenvorschlag vor, der eine fachliche Unterstützung für die Bearbeitung von Rekursen, Beschwerden und Rechtsfragen vorsieht. Die Kirchensynode stimmte dem Vorschlag des Kirchenrates mit grossem Mehr zu. Der Entscheid unterliegt dem fakultativen Referendum.
Weiterbeschäftigung von Pfarrpersonen
Sodann legte der Kirchenrat seine Antwort zu einem Postulat vor, das zu prüfen einlud, ob Pfarrpersonen über die Pensionierung hinaus im gewählten Status in der Kirchgemeinde weiterarbeiten könnten.
Vor dem Hintergrund des Pfarrmangels ist das Anliegen für den Kirchenrat zwar nachvollziehbar, aber er lehnte es in der Zusammenschau mit anderen Massnahmen und aus formellen Gründen dennoch ab. Kirchenratspräsidentin Esther Straub wies auch darauf hin, dass Pfarrerinnen und Pfarrer schon heute als Stellvertreter/in über das Pensionsalter hinaus weiterarbeiten können und dass der Kirchenrat das sehr begrüsst.
Die Rahmenbedingungen dafür seien auf Anfang 2025 verbessert worden. Die Kirchensynode teilte diese Sichtweise und schrieb das Postulat mit grossem Mehr ab.
Christliche Spiritualität fördern
Ausgehend vom allgemein wachsenden Bedürfnis nach Spiritualität beantragte der Synodalverein eine Aussprache zu christlicher Spiritualität, in der nach entsprechenden Kriterien gefragt wurde. Betont wurde in der Diskussion, dass christliche Spiritualität im Unterschied zu einer säkularen klar auf Gott ausgerichtet und ein Weg sei, die heilige Geistkraft zu erfahren.
Dafür seien Meditationsangebote wie beispielsweise Ignatianische Exerzitien stärker zu fördern. Wichtig sei dabei auch, die eigene Spiritualität zu reflektieren, Mystik und Diakonie zu verbinden und nicht in ausserchristliche Spiritualitätsformen abzugleiten, sondern Glaubensgebet und Herzensfrömmigkeit ins Zentrum zu stellen.
Kirchenrat Andrea Marco Bianca wies auf mehrere laufende Projekte hin und darauf, dass die Entwicklung reformierter Spiritualität weiterhin zu den Legislaturzielen der Landeskirche gehöre.
Interpellationen zu Pfarrstellen
Weiter lag dem Kirchenparlament eine Interpellationsantwort des Kirchenrates vor auf die Frage nach theologischen Kriterien für die Auswahl von Pfarrpersonen für Vikariatsstellen bzw. wie sichergestellt wird, dass keine theologische Bewertung von Theologiestudierenden vorgenommen wird.
In Ergänzung zu einer früheren Antwort zu diesem Thema wies der Kirchenrat darauf hin, dass es keine solchen Kriterien gibt, dass Pluralismuskompetenz und damit die Beschreibung theologischer Profile inklusive diesbezüglicher Selbstreflexion aber wesentlich zur Pfarrausbildung gehören. Beschreibungen seien aber weder eine Kategorisierung noch eine Bewertung.
Eine weitere Interpellationsantwort betraf die Pfarrstellenzuteilung. Die Interpellanten wollten u.a. Auskunft zur aktuellen Stellenverteilung, zu den Herausforderungen und Erfahrungen bezüglich der Stellenzuteilung in der Amtsdauer 2024–2028 und zum Verbesserungspotenzial für die Stellenzuteilung in der nächsten Amtsdauer.
Gemäss Kirchenrat hat sich die Regelung grundsätzlich bewährt, er sieht aber einen «gewissen Handlungsbedarf», unter anderem beim zeitlichen Ablauf. Auch in der Diskussion wurde betont, dass die Kirchensynode früher einbezogen werden müsste.
Amtszeitbeschränkung und parlamentarische Initiative
Schliesslich lagen dem Kirchenparlament zwei Motionen vor. Die erste forderte für das Präsidium der Kirchensynode eine Amtszeitbeschränkung von zwei Jahren. Vorgeschlagen wurde, dass jeweils der 2. Vizepräsident bzw. die 2. Vizepräsidentin der Synode nach zwei Jahren an die Stelle der 1. Vizepräsidentin bzw. des 1. Vizepräsidenten nachrückt und diese bzw. dieser zur Präsidentin resp. zum Präsidenten gewählt wird, so dass eine Person insgesamt sechs Jahre im gesamten Präsidium mitwirkt.
Die Synodalen lehnten den Vorstoss ab, so wie sie schon im letzten Herbst eine Amtszeitbeschränkung für die Mitglieder des Kirchenrates zurückwiesen.
Die zweite Motion forderte die Einführung des politischen Mittels der parlamentarischen Initiative, die in der Kirchensynode – anders als in den meisten anderen Legislativen – bislang nicht vorgesehen ist.
Eine parlamentarische Initiative wird von einem oder mehreren Ratsmitgliedern eingereicht und enthält einen ausgearbeiteten Entwurf für einen Erlass, der in die Zuständigkeit des Parlaments fällt. Die Initiantinnen der Motion bezeichnen die parlamentarische Initiative als «starkes und effektives Instrument eines Parlaments». Die Kirchensynode lehnte die Motion dennoch ab.
Kritik an «Plan P»
Im Blick auf den sich abzeichnenden Pfarrmangel hatte das Schweizer Konkordat zur Pfarrausbildung einen sogenannten «Plan P» bis Anfang März in eine Vernehmlassung geschickt: Akademikerinnen und Akademiker ab 55 Jahren sollen nach einem dreimonatigen Theologiekurs ihre Arbeit als Pfarrerinnen und Pfarrer in Kirchgemeinden aufnehmen können.
In einer gemeinsamen Erklärung wie auch je einzeln haben die Fraktionen der Kirchensynode die Vorlage als nicht ausgereift kritisiert: «Der Pfarrberuf darf nicht durch eine Schnellbleiche gefährdet werden.»