Auf Du mit Krähen und Mammutbäumen
Der Sigrist Oliver Novak hat seinen Traumberuf gefunden. Unter Baumriesen mäht er die blühenden Naturwiesen des Kirchengartens in der Stadtzürcher Enge. Die Kirchgemeinde Zürich ist auf dem Weg zur Umweltzertifizierung «Gründer Güggel».
Wer mit dem Sigristen Oliver Novak durch den Kirchengarten der Stadtzürcher Kirche Enge streift, hat gut 75 Höhenmeter zu überwinden. Von der Kirche aus sind es nochmals 50 Höhenmeter bis auf den Turm. Dass selbst der Luftraum über Novaks Garten zu seinem Arbeitsbereich zählt, ergibt Sinn: Die Äste der Mammutbäume lassen sich von hier aus gut, um allfällige Schäden am Geäst zu bemerken. Oliver Novak hat ein Auge dafür. Eine Gärtnerausbildung absolvierte der ehemalige Elektromonteur zwar nicht, aber mittlerweile hat über 20 Jahre Berufserfahrung als Sigrist gesammelt.
Mittlerweile wohnt der 53-Jährige sogar in dieser urbanen, grünen Lunge. Von seinem Schlafzimmer im ehemaligen Diakoniehaus blickt er auf ein mit Holdern- und Haselstauden gesäumtes Plätzchen. Er kennt hier nicht nur die riesigen, 130jährigen Nadelhölzer, sondern auch jeden Strauch und fast jedes Kraut – auch jenes, das man landläufig abfällig Unkraut nennt. Er nennt es «Beikraut» – und lässt es stehen.
29 Vogelarten sind im Kirchengarten heimisch
Seit gut zehn Jahren bekennt sich die Kirchgemeinde zur Biodiversität, lässt der Natur so viel Freiheit wie möglich. Novak mäht die Wiesenflächen nur noch zweimal pro Jahr und verzichtet auf chemische Mittel. Mit klarem Effekt: Nicht nur die Zahl an Pflanzensorten ist gewachsen, auch die Tierwelt profitiert. Der Biogärtner: «In den Wiesen krabbeln viel mehr Insekten als vorher und 29 Vogelarten sind hier heimisch».
Oliver Novak schätzt aber auch den Kontakt mit den Menschen. Er bietet Turmführungen an und gestaltet demnächst einen Vogelgottesdienst mit. Und auch unter den menschlichen Gästen ist die Vielfalt gross: Kleinkinder der Kita sind ebenso häufige Gäste wie die Bewohnerinnen und Bewohner des angrenzenden Altersheims. Krawattenträger lassen hier sich für eine Mittagspause auf den Treppen nieder, und Kantischüler nutzten diesen raren städtischen Freiraum für ein Treffen unter sich. Auch für sie gibt’s hin und wieder einen wildbeerigen Znüi und Oliver Novak hat auch nichts dagegen, wenn jemand vom kürzlich gepflanzten Apfelbaum etwas stibitzt.
Autor
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Christian Schenk
Bereichsleitung Publizistik
Abteilung Kommunikation