Zürichs bunte Religionslandschaft
Die traditionell ansässigen Kirchen und Religionsgemeinschaften sind in Zürich öffentlich anerkannt, neu zugewanderte wie Muslime, Orthodoxe oder Hindus nicht. Welche Erwartungen haben diese nicht-anerkannten Religionsgemeinschaften an den Staat und die Kirchen? Eine breite Befragung geht dieser Frage erstmals nach.
Heute sind im Kanton Zürich die reformierte, katholische und christkatholische Kirche sowie zwei jüdische Gemeinden offiziell anerkannt und geniessen dadurch verschiedene Privilegien. Einerseits finanzielle Beiträge des Staates an Leistungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung, aber auch Zugang zu öffentlichen Institutionen wie Spitälern, Kliniken, Notfallorganisationen oder Gefängnissen, um dort die Menschen seelsorgerisch zu betreuen. Was aber ist mit den anderen, etwa den traditionellen wie modernen Freikirchen, den Muslimen, orthodoxen Christen, Buddhisten oder Hindus? Welche Erwartungen haben diese Religionsgemeinschaften an den Staat und an die anerkannten Religionsgemeinschaften? Eine breite Befragung der betroffenen Religionsgemeinschaften im Jahr 2022 ging diesen Fragen nach. Jetzt sind die Resultate öffentlich zugänglich. Diese Studie wurde gemeinsam von der Direktion der Justiz und des Innern und den anerkannten Religionsgemeinschaften finanziert und beauftragt.
Die Befragung durchgeführt und ausgewertet hat das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut (SPI) in Zusammenarbeit mit dem Religionswissenschaftlichen Seminar der Universität Zürich. 22 Dachverbände der verschiedenen Religionen haben geantwortet, die total an rund 200 Orten im Kanton tätig sind. 70 Prozent der Befragten waren christliche Kirchen und Gemeinschaften.
Wunsch nach mehr Akzeptanz
Erstaunlich ist zunächst, dass fast alle angefragten Religionsgemeinschaften auch geantwortet haben, was auf ein grosses Interesse an dem Thema hindeutet. Die Antworten gehen erwartungsgemäss weit auseinander, aber einige zentrale Anliegen lassen sich doch herauskristallisieren:
- Gute Beziehungspflege auf Ebene von Gemeinde und Kanton sowie zu anderen Gemeinschaften;
- Wertschätzende, partnerschaftliche und wohlwollende Beziehungen auf Augenhöhe mit dem Kanton und den anerkannten Religionsgemeinschaften;
- Als Teil der Zürcher Bevölkerung anerkannt und akzeptiert werden und nicht als fremd wahrgenommen zu werden;
- Anerkennung von sozialem Engagement auch der nicht-anerkannten Religionsgemeinschaften, namentlich im Bereich der Integration und der Hilfe für Randständige;
- Ernstgenommen werden als Akteure in der interreligiösen und interkulturellen Verständigung.
Vernetzungsanlass
Als absolutes Novum lud «Kirchenministerin» Jacqueline Fehr am 21. September zu einem Treffen aller Religionsgemeinschaften ein, die an der Befragung teilgenommen haben. Solch ein breites Treffen (fast) aller im Kanton ansässigen Religionsgemeinschaften hatte es bisher noch nie gegeben. An diesem Anlass wurden die Resultate der Studie gemeinsam besprochen und nächste Schritte diskutiert.