Wir sind reformierbar

In diesem Jahr endet der Reformprozess «KirchGemeindePlus». Eine Bilanz mit Erfolgen, Tolggen und ungeschlachteten Kühen. Das Fazit vorneweg: Die Reformierte Kirche im Kanton Zürich ist reformierbar.

Ein Blick auf die Kirchenland-Karte zeigt es: Die Parzellen sind in den letzten zehn Jahren grösser, die Anzahl Kirchgemeinden deutlich weniger geworden. Statt 179 Kirchgemeinden wie vor 13 Jahren sind es nach zahlreichen Fusionen heute noch 108. Zwischen 17 weiteren Kirchgemeinden sind die Verknüpfungen enger geworden oder Anstrengungen im Gang, die noch stehenden Grenzen abzuräumen. Diese offensichtlichen Veränderungen sind nur ein Teil der Resultate des Reformprozesses KirchGemeindePlus, der vor mehr als zehn Jahren ins Rollen kam. 

Im Zentrum standen zu Beginn strukturelle Anpassungen bei den Kirchgemeinden, namentlich Zusammenschlüsse oder verstärkte Zusammenarbeit. Dies sollte es ermöglichen, ein vielfältiges Gemeindeleben zu gestalten und Ressourcen besser zu nutzen. Wie gut ist das gelungen?

Ende dieses Jahres läuft KirchGemeindePlus programmgemäss aus, und es ist Zeit, Bilanz zu ziehen: Die Ergebnisse dieses für die Zürcher Reformierten prägenden Prozesses sind in einer Forschungsstudie festgehalten. Der Schlussbericht, verfasst vom Luzerner Forschungsinstitut Interface, dokumentiert die Ergebnisse des Prozesses (ab 2018) und ihre Wirkungen auf Mitarbeitende, Mitglieder und auf weitere Anspruchsgruppen. Er wurde im Frühling 2023 abgeschlossen und wird jetzt veröffentlicht. Gleichzeitig nimmt der Kirchenrat zu den Ergebnissen und Empfehlungen Stellung.

Kam die Unterstützung an?

Der Bericht hält fest: Die Kirchgemeinden zeigten sich vor allem zu Beginn des Prozesses kritisch gegenüber der Landeskirche und bemängelten die Mitsprachemöglichkeiten. Diesen Tolggen besserten Kirchenleitung und Gesamtkirchliche Dienste (GKD) später aus, jedenfalls besserte sich diese Einschätzung im späteren Verlauf. Insgesamt über die Hälfte der Befragten stimmte der Aussage (eher) zu, dass die Landeskirche – und damit sind oft Kirchenrat, Kirchensynode oder GKD gemeint – die Gemeinden bei der Umsetzung unterstützt hat. Die Argumentation bezüglich Notwendigkeit der Reform und das Zielbild erachtete eine Mehrheit als verständlich und grundlegend für die Umsetzung. Die Bedürfnisse nach Unterstützung waren unterschiedlich. Operative Leistungen wie Musterverträge oder Rechtsberatungen wurden häufig in Anspruch genommen. Die Begleitung durch externe Personen erachteten viele Kirchgemeinden als «sehr wertvoll».

Neben der Prozessbegleitung beeinflussten auch Faktoren wie die Grösse der Kirchgemeinden oder die geografische Lage den Prozess. Auch inhaltliche Aspekte wie das theologische Profil konnten einen Reformprozess begünstigen oder hemmen.

Stress für Mitarbeitende

Die Begleitforschung untersuchte auch die Wirkung von Zusammenschlüssen auf Mitarbeitende und kommt zu folgendem Fazit: Kirchliche Anstellungen wurden vielfältiger und damit attraktiver. Gleichzeitig nahmen Zeitdruck und Arbeitsbelastung zu. Auch waren Aufgaben und Zuständigkeiten einzelner Funktionen zu Beginn oftmals unklar. Bei den Angestellten liess sich vielerorts eine Profes­sionalisierung der Personalführung beobachten. 

Für die Pfarrpersonen waren die Veränderungen vergleichsweise gross, was dazu führte, dass sie KirchGemeindePlus negativer wahrnahmen als Angestellte und Kirchenpflegen dies taten. Bei den Mitgliedern kamen die Reformen insgesamt gut an. Das zeigt nicht nur die Studie, sondern wird auch durch die durchgehend hohe Zustimmung bei den Abstimmungen über Fusionen deutlich. 

Vieles bleibt gleich

Die Angebotspalette der Kirchgemeinden hat sich wenig verändert. Die Studie von Interface führt dies darauf zurück, dass viele Kirchgemeinden ihren Mitgliedern das Versprechen gaben, dass die Angebote nach der Reform bestehen bleiben. Am ehesten ging die Anzahl der Gottesdienste in den Ortskirchen zu Gunsten regionaler Feiern zurück. Auch die Unti-Angebote erfuhren vielerorts eine Regionalisierung. Neue Beteiligungsmöglichkeiten für Freiwillige und Angebote für neue Zielgruppen erschloss die Reform nur selten.

Wie weiter?

Die Begleitforschung belässt es nicht bei der Beschreibung des Vergangenen, sondern mündet in Empfehlungen für die Zukunft: So sollen Auftrag und Zweck der Ortskirchengremien und der Ortskirchenkommissionen besser geklärt werden. Die veränderten Anforderungen an die Tätigkeit sollen in die Aus- und Weiterbildungen von Pfarrpersonen und Behördenmitgliedern aufgenommen werden. Fusionierte Gemeinden bedürften weiterhin der Unterstützung auch bezüglich Einführung innovativer Kirchenformen. Dann dürfe man nicht davor zurückschrecken, «heilige Kühe zu schlachten», will heissen, mehr Mut bei der Aufgabe überlebter Angebote aufbringen. Und schliesslich empfiehlt Interface, aus den gewonnenen Erkenntnissen zu lernen und weitere Reformen und Zusammenschlüsse zu prüfen und zu unterstützen.

Was sagt der Kirchenrat?

Der Kirchenrat folgt in weiten Teilen den Einschätzungen und Empfehlungen der Studie. Bei den Ortskirchenkommissionen sieht er ebenfalls Nachbesserungsbedarf oder erwägt eine zeitliche Befristung dieser Gremien. Auch teilt er die Einschätzung, dass der Reformbedarf mancher Kirchgemeinden auch nach Abschluss von KirchGemeindePlus bestehen bleibt; insbesondere in Regionen mit kleinräumigen Strukturen dürfte der Reformdruck wachsen. Andere Empfehlungen im Ausbildungsbereich oder bezüglich Schlachtung heiliger Kühe hat er bereits aufgenommen. Und mit dem Legislaturziel der Innovationsförderung hat die Landeskirche einen Nachfolgeprozess zu Kirch-GemeindePlus bereits wirkungsvoll angestossen. 

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