«In der Bibel wimmelt es von guten Stories, Gesichtern und Gefühlen»
Wie soll sich die Kirche auf Instagram und Co. zeigen? Unsere Social Media-Verantwortliche Jorina Kessler erzählt, was man mit einem guten Auftritt gewinnt und wo Gefahren lauern.
Erschiene dieses Interview auf Instagram – wie müsste ich es anpacken? Und für wie viele Fragen hätten wir Zeit?
Es lägen nicht mehr als fünf Fragen drin. Aber ehrlich gesagt, käme es vor allem auf die erste an, und man würde nicht etwa die Frage lesen oder hören, sondern direkt meine Antwort. Und dann bräuchten wir während der ersten drei Sekunden einen Hook.
Einen Hook?
Etwas, das die Nutzerinnen und Nutzer irritiert, aus der Bahn wirft. Wörtlich übersetzt einen Haken, an dem sie im Strom der Informationen hängen bleiben.
Was könnte ein solcher Hook in unserem Gespräch sein?
Es muss emotional und inhaltlich zugespitzt sein, eine steile These wie zum Beispiel die: «Ohne Social Media gibts keine Kirche.» Oder es könnte ein visuelles Element während des Drehs sein, vielleicht, dass die Trinkflasche umkippt, oder dass ich mir einen Tee zubereite, während ich erzähle.
Wozu denn so etwas?
Es kitzelt unser Hirn. Wir bleiben eher dran, wenn nicht nur erzählt wird, sondern etwas passiert.
Sehr tief schürfen könnten wir also nicht. Wäre ein Fachinterview wie dieses überhaupt möglich?
Wir haben bis jetzt allgemein von Social Media gesprochen, respektive von Kanälen wie Instagram oder TikTok, die von Algorithmen getrieben sind. Da funktioniert ein längeres Fachinterview eher weniger. Auf LinkedIn, dem beruflich orientierten Netzwerk, wäre so etwas schon eher möglich und sinnvoll.
Wir müssen also nach Kanälen differenzieren. Und wir müssen unser Publikum und dessen Vorlieben kennen. Aber grundsätzlich geht es sicher nicht darum, Berge von Informationen zu übermitteln.
Was müsste dann das Ziel sein? Aufmerksamkeit? Sympathiepunkte?
Auf jeden Fall. Social Media ist nicht dazu da, Produkte oder Anlässe zu bewerben, sondern es ist der Ort, wo du die Geschichte hinter deiner Marke, deiner Organisation erzählen kannst. Es ist der Ort, wo du Nähe schaffen oder ein Schaufenster auf das Gemeindeleben öffnen kannst.
Mit welchen Inhalten soll man also aufwarten?
Ich empfehle die 3-G-Regel: Geschichten erzählen, Gefühle wecken, Gesichter zeigen. Bei Letzterem geht es auch um Wiedererkennung. Es ist gut, wenn sich Gesichter beim Publikum etablieren können.
Dann ist die Ausgangslage für die Kirche gar nicht mal so schlecht, gute Geschichten und Gesichter haben wir viele.
Ja. Die Kirche ist in ihrem Wesen social-media-affin. In der Bibel wimmelt es von guten Stories, Gesichtern und Gefühlen. Und Jesus hat immer mit Geschichten gesprochen, die uns Menschen berühren.
Kommt hinzu, dass sich in jeder Kirchgemeinde bewegende Geschichten abspielen. Das ist wahres Content-Gold, wie man dies im Fachjargon nennt. In der Kirchgemeinde geht man zusammen durchs Leben, erlebt Höhen und Tiefe, lacht und weint miteinander. All das lässt sich gut transportieren.
Das alles spricht für die Präsenz der Kirchen in den Sozialen Medien. Gibts auch ein Aber?
Ja, es ist letztlich nur ein Kommunikationswerkzeug unter anderen, das man nutzen kann oder nicht. Ich würde es niemandem aufdrücken wollen. Denn es braucht Zeit und Lust, sich darauf einzulassen.
Es braucht ein Bekenntnis eines ganzen Teams in einer Kirchgemeinde, damit der Auftritt gelingt. Es wäre schade, man nutzt es nur halbherzig, oder einfach nur als Kanal, um Veranstaltungen zu bewerben. Letzteres funktioniert sowieso eher schlecht.
Mit einem missratenen Video oder Bild kann man auch viel Geschirr zerschlagen. Braucht es eine Kontrolle beim Publizieren?
Es braucht ein sicheres Gefühl dafür, was und wie man publiziert. Es braucht gesunden Menschenverstand und das Bewusstsein, dass man nicht als Privatperson, sondern als Vertreterin oder Vertreter der Kirche sendet und wahrgenommen wird. Dass man sich leichtfertig zu politischen Themen oder Wertefragen äussert, geht also nicht.
Auf der anderen Seite darf man sich auch nicht zu fest vor einem schlechten Kommentar fürchten. Die Tonart auf Social Media ist halt leider sehr rau.
Interview: Christian Schenk
«Social Media ist der Ort, wo du die Geschichte hinter deiner Organisation erzählst und Nähe schaffst.»
Jorina Kessler hat Organisationskommunikation an der ZHAW studiert und sorgt für eine engagierte Präsenz der Kirche auf Instagram, Facebook und LinkedIn
Kirche aus der Nähe
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